Die Welt des Sozialismus hatte die Wünsche schrumpfen lassen. Eine komfortabel eingerichtete Wohnung, etwas Abwechslung im Alltagsprogramm, ein paar Lücken im vorgetanzten Lebensbild. Wie die meisten Menschen merkte auch meine Schwester erst spät: Die Träume waren so klein gewesen, daß ihre Erfüllung unspektakulär leicht war. Man mußte nur in eine andere Gesellschaft überwechseln. Das oft fremde, unwillige Gefühl in den Jahren nach der Revolution kam auch daher, daß man nun, nachdem der eigene Wunschvorrat erschöpft war, nicht wußte welcher Art von Träumen in dieser anderen Gesellschaft nachzuhängen war.
— Mit der Geschwindigkeit des Sommers by Julia Schoch (Page 109)
Man könnte dies fast wörtlich im Bezug zu Kapitalismus sagen. Bloß statt "komfortabel eingerichtete Wohnung": Angst um eigene Existenz.